Aminwäsche: Sauberer Zement mit Kraft des Stickstoffs
Weil beim Brennen von Zementklinker rund zwei Drittel der CO2-Emissionen aus dem Gestein entweichen, ist die Herstellung als besonders CO2-intensiv. Noch, denn dank Aminwäsche steht eine Technologie in den Startlöchern, die Emissionen um bis zu 90 Prozent reduzieren kann, während das gewonnene und hochreine CO2 zur Produktion von nachhaltigen Kraftstoffen weiterverwendet wird. Im nordrhein-westfälischen Beckum läuft seit Sommer 2023 ein vielversprechender Feldtest.
90 %
Verfahren zur CO2-Abscheidung
Aminwäsche beschreibt ein Verfahren zur CO2-Abscheidung, das hauptsächlich in der energieintensiven Schwerindustrie und beim Betrieb fossiler Kraftwerke zum Einsatz kommt. Richtig angewendet ist die Technologie ein wichtiger Baustein auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft: Industrieanlagen können ihre Treibhausgasemissionen damit um bis zu 90 Prozent reduzieren. Insbesondere in Branchen wie der Zementindustrie, in denen prozessbedingt und unabhängig von den verwendeten Rohstoffen CO2 entsteht, können Aminwäscheverfahren zur grünen Transformation beitragen. Und sie haben noch einen weiteren Vorteil: Neben klimaschädlichen Emissionen von CO2 reduzieren sie auch andere Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid (SO2) oder Stickstoffoxide (NOx). Auch diese werden aus den Abgasen von Verbrennungsprozessen entfernt, bevor sie in die Atmosphäre gelangen.
Die Aminwäsche beginnt damit, Abgase durch eine Lösung aus Aminverbindungen in einem Absorber zu leiten. Bei diesen Verbindungen handelt es sich um einen Sammelbegriff für verschiedene Stickstoffverbindungen. Die schädlichen Gase reagieren mit den Aminverbindungen, werden dadurch absorbiert und setzen eine chemische Reaktion in Gang, die zur Bildung von stabilen Verbindungen führt. In einem zweiten Schritt werden die gebundenen Schadstoffe von den Aminverbindungen in einem Regenerator getrennt. Während die freigesetzten Gase in einem separaten Prozess behandelt oder entsorgt werden, kann die gereinigte Aminlösung wiederverwendet werden – ein gleichermaßen ressourcenschonender wie klimaeffizienter Vorgang.
Feldtest im Zementwerk Beckum
Seit Sommer 2023 untersuchen die Partner thyssenkrupp Uhde, Holcim und die Technische Universität Berlin den Einsatz neuester Aminwäsche-Technologie. Ziel ist es, den CO2-Ausstoß von bestehenden Zementwerken deutlich zu reduzieren und gleichzeitig das abgetrennte CO2 für weitere Anwendungen nutzbar zu machen. Konkret werden unter anderem neue Stoffaustausch-Apparate entwickelt, die den Wirkungsgrad verbessern sollen und widerstandsfähiger gegen Verunreinigungen sind.
Die Leistungsfähigkeit und Effizienz dieser Einrichtungen – und damit die Grundlagen für einen kommerziellen Einsatz – werden mit realem Abgas im Holcim -Zementwerk Beckum getestet. Außerdem nehmen wir verschiedene Verwendungsmöglichkeiten für das gewonnene hochreine CO2 unter die Lupe. Das CO2 könnte etwa als Grundstoff an andere Industrien abgegeben oder zu weiteren Energieträgern wie Methanol aufbereitet werden. Weil Aminwäsche-Einrichtungen zur Abtrennung des CO2 aus dem Prozessabgas nachgerüstet werden können, profitieren insbesondere Bestandsanlagen zur Zementherstellung von der innovativen Technologie.
So wie in Beckum, wo der letzte Rohrkühler des gesamten Holcim-Konzerns bereits seit 1985 im Einsatz ist. Energetisch und technisch ist dieser “Industrie-Dinosaurier” nicht mehr zeitgemäß. Er wird daher durch einen hochmodernen Pendulum-Kühler ersetzt, für den wir rund 20 Millionen Euro investieren. Das senkt den thermischen Energiebedarf sowie die CO2-Emissionen erheblich. Die Versuchsanordnung zur Zementwende in Beckum läuft noch bis Ende 2025, bis 2030 soll die Umrüstung des Werkes auf klimaneutrale Produktion abgeschlossen sein.